Rohstoff Zeit. Wir alle brauchen ihn.
Qualität braucht Zeit. Aber wer will heute schon Qualität? Lebensqualität, Bildqualität, Qualität in Beziehungen, ob persönliche oder geschäftliche, Qualität beim Essen, Luftqualität – wer braucht das? Dafür haben wir keine Zeit. Es muss schneller, höher, weiter gehen und da bleibt Qualität auf der Strecke. Wir müssen Nichts für die Ewigkeit bauen, produzieren, erhalten, pflegen oder langfristig denken. Wo kämen wir denn dahin?
Der Fotograf Kurt Moser kreiert Fotos für die Ewigkeit. Sie halten mehrere Hundert Jahre. Er macht EIN Foto alle drei Tage. Und das jeweilige Foto ist einzigartig, nicht reproduzierbar. Jedes Foto ein Unikat. Die Fotos entstehen mit der alten Fototechnik Ambrotypie auf schwarzen Glasplatten in einem aufwendigen Verfahren. Am Ende hast du ein Foto, das „du anfassen kannst, du kannst es fühlen, und es bleibt uns für mehrere Hundert Jahre erhalten“, beschreibt der Fotograf und Künstler Kurt Moser aus Südtirol. Er ist darauf bedacht, „gegen Vergänglichkeit und Vergessen zu arbeiten, hinter die Kulissen zu sehen, sich die Zeit für das zu nehmen, was ihm wichtig erscheint, und diese Eindrücke und Empfindungen in Unikaten zu verewigen.“
Geduld haben
Geduld wird in diesen Zeiten unterschätzt. „Es geht darum, dass wir uns der langfristigen Problemlösung, dem konzentrierten, gründlichen Nachdenken zuwenden müssen“, erklärt Philosoph Peter Heintel (in brandeins). Er gründete einst den „Verein zur Verzögerung der Zeit“, nicht um zu entschleunigen, sondern die Konzentration fürs Wesentliche zu fördern. Geduld führt zum Ziel und gehört zur Entwicklung dazu. Etwas zu dulden führt auf mehr Wissen zurück, mehr Informationen über eine Person, eine Situation und die Zusammenhänge. Mehr Austausch unter den Menschen ist da sicherlich hilfreich. Auch beim Fotografieren zahlt sich Geduld und der Austausch mit anderen aus. Andere Meinungen, Blickwinkel, Sichtweisen auf Bilder verbessern die eigene Fotografie. Immer wieder probieren, unnötiges weglassen, andere Herangehensweisen versuchen und geduldig die neuen Erkenntnisse einbauen und umsetzen.
Stillsitzen. Sehen, wer du bist
Wenn Kurt Moser mit der alten Fotografie Methode ein Porträt einer Person macht, braucht es mehrere Stunden, um alles einzustellen. Das ist viel Zeit, möglichst bewegungslos zu sitzen, in eine riesige Kamera zu starren und von starkem Licht angestrahlt zu werden. Und es ist viel Zeit, um sich mit der Person, die sich kaum bewegen darf, unterhalten zu können und sie kennenzulernen. Das verändert die Person, beschreibt Kurt. Und die Maske fällt. Das wahre Wesen kommt zum Ausdruck. Genau in diesem Moment macht Kurt das Bild. Die Reaktion der fotografierten Person auf das Porträt ist meistens Erstaunen, „ihrem wahren selbst“ in dem auf schwarzer Glasplatte verewigtem Foto zu begegnen.
In der Fotografie verlieren
„Hier und jetzt, während dein Herz schlägt, stehst du mit der Zeit in Tuchfühlung. Ihre Eigenschaften hängen ganz davon ab, wie du sie verbringst. Jeder hat erlebt, wie er von seiner Lieblingstätigkeit gefangen genommen wird. Mit frischem Geist und voller Leben ist er dabei. Dann flieht die Zeit.“ (Soiku Shigematsu, „Momo erzählt Zen“).
Leidenschaftliche Fotografen können sich in ihrer Fotografie verlieren. Zeit wird bedeutungslos und fühlt sich voll und erfüllt an. Als ob wir Zeit gewonnen hätten. Das ist doch ein wunderbarer Anreiz, sich mehr Zeit für seine Fotografie zu gönnen.
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