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Inspiration Fotografie

Dolomiten Fotoworkshop von V. Bellersheim

Entschleunigte Fotografie.

by Claudia Brose

Bleibende, wertige Fotografie – geht das noch?

Wie gehen wir heute mit Bildern um? Warum machen wir Fotos? Wie viel Zeit nehmen wir uns für unsere Bilder? Welchen Wert haben die Bilder?

Der Fotograf Kurt Moser möchte „Geschichten ihrer Flüchtigkeit entreißen und die Zeit einfangen“. Er möchte sich die Zeit für das nehmen, was ihm wichtig erscheint und diese Eindrücke und Empfindungen in Unikaten, in nicht vervielfältigbaren, nicht kopierbaren, nicht wiederholbaren Einzelstücken verewigen. Kurt Moser aus Südtirol macht fotografische Aufnahmen, die einige hundert Jahre lang haltbar sind.

Slow Photography

Ein extremer Gegensatz zu Instagram und Smartphone Fotos, die wie Eintagsfliegen behandelt werden. Kurt Moser macht mit einer zwei Meter großen Holzkamera aus dem Jahr 1907 mit dem Ambrotypie Verfahren (1850 entwickelt) Fotos. Bei diesem Verfahren werden edle Glasplatten mit einem Silberbad sensibilisiert und in einer großformatigen Balgenkamera belichtet. Da schafft man ein Foto am Tag. Die Ergebnisse sind nicht reproduzierbare Unikate.

„Es geht mir darum, ein Seherlebnis zu schaffen.“

Wie der bekannte Fotojournalist David Burnett sagt, wenn Bilder nicht irgendwie ausgedruckt werden, wird es sie zukünftig nicht mehr geben. Er ist davon überzeugt, dass 80% der Bilder, die von 80% der Menschen gemacht werden in 10 Jahren nicht mehr existieren. Welche Speichermedien haben wir in der Zukunft und können wir vergangene digitale Medien mit gespeicherten Fotos noch sichtbar machen?

„Print it, folks. Better yet, turn your phone off, and start looking!” ist Burnetts Ratschlag.

Bilderflut und Wahrnehmung

Wie viel nimmt man denn noch wirklich von der Situation wahr, wenn die Kamera zum Auge wird, wenn die Flut der Bilder und Informationen so immens sind und man nicht, wie Burnett sagt, mal die Kamera beiseitelegt und tatsächlich schaut? Und wenn man damit beschäftigt ist, möglichst viele Bilder einer Situation, einer Szene oder einer Veranstaltung zu machen? Wie viel ist zu viel? Wie beeinträchtigt die visuelle Bombardierung unser Gehirn und Urteilskraft von dem, was wir auf den Bildern sehen?

Eine Untersuchung der Psychologie Professorin Linda Henkel an der Fairfield Universität (USA) zeigt, dass der ständige Blick durch die Kamera die Fähigkeit beeinträchtigt, tatsächliche Details und bestimmte Momente bewusst zu erleben und sie später aus dem Gedächtnis abzurufen. Man vergisst leichter und hält wenig fest. Ebenso beeinträchtigt das ständige, flüchtige Anschauen von Bildern oder die Berieselung mit Werbebildern unsere Urteilskraft, welche Bilder gut und schlecht sind oder ob wir überhaupt noch die Werbebilder wahrnehmen.

Bilder lügen nicht

„Diese Fotos lügen nicht.“, sagte ein älterer Bergbauer in den Dolomiten zu Kurt, nachdem er von Kurt porträtiert wurde und nach mehreren Stunden endlich die Ergebnisse sah. Genau das ist Kurts Vision.

Kurt Moser by John McDermott Analog Fotografie

Photo © John McDermott / Fotograf Kurt Moser

Kurt Moser hat sich für einen reduzierten, bewussteren und bleibenden Umgang mit der Fotografie entschieden. Nachdem er über 30 Jahre als Dokumentarfilmer in Krisengebieten der Welt gearbeitet hat und die Bildproduktion mit der Zeit immer schneller werden musste, entschied er sich für einen langsameren Rhythmus und durdh Zufall fand er die verstaubte Balgenkamera von 1907. Oder, die Kamera fand ihn, wie Kurt behauptet. Heute verwirklicht er verschiedene Projekte mit der Riesenkamera. Ein Projekt ist die wunderbare Bergwelt der Dolomiten und einige ihrer uralten Bauern auf 1 Meter mal 1,50 großen schwarzen Glasplatten zu verewigen. Er möchte bleibende Werte erzeugen. Ihm geht es darum, sich von der globalen digitalen Pixelzählmanie zu distanzieren, echte Handarbeit zu leisten und etwas Dauerhaftes, Unfassbares, Echtes, Schönes zu schaffen.

Warum machst DU Bilder? Welchen Wert haben Fotos für DICH? Diese Fragen muss jeder für sich beantworten. Kurt Moser hat eine wunderbare Antwort für sich und sein Schaffen gefunden.

 

Photo im Header “Dolomiten” by © Volker Bellersheim

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